Graduierungen

Graduierungen – allgemeine Infos

Graduierungen…

…waren und sind immer Anlaß für Diskussionen. Die einen erfüllt eine erhaltene Graduierung mit Stolz, anderen bietet sie einen Grund zum Neid, wieder andere benutzen sie bewußt, um sich von niedriger Graduierten abzugrenzen und wieder andere halten sie für überflüssig.
Um das Wesen der Graduierung darzulegen, möchte ich hier ein wenig auf die geschichtliche Entwicklung der Graduierungssysteme eingehen.

Vorab aber noch zwei Informationen:

1) Die Silbe „DAN“ bedeutet nicht „Meister“. DAN bedeutet soviel wie „Stufe“, wobei es nach japanischen Verständnis soviel bedeutet, daß ein Budoka gerade mal „mit den Zehenspitzen“ auf der jeweiligen Stufe steht. Aber wer wird nicht gerne als „Meister“ bezeichnet ?

2) Es gibt kein allgemeingültiges Graduierungs- oder Bewertungssystem.
So unterschiedlich, wie die einzelnen Schüler von O-Sensei waren, so unterschiedlich war auch deren Aikido, und so unterschiedlich auch deren Graduierungskriterien.
Ein 1.DAN im DAB ist etwas anderes als ein 1.DAN im Aikikai oder im Iwama-Ryu, oder, oder, oder…..
Graduierungen sind weder vergleichbar noch in irgendeiner Weise bewertbar. Sie sind immer individuell und berechtigen im allgemeinen zu garnichts.

Graduierungen: Früher

In den alten Schulen der chinesischen Kampfkünste gab es keine Graduierungen, zumindest nicht in der jetzt bekannten Form. Die Kampfkünste wurden meist innerhalb von Geheimbünden oder Familien-Clans praktiziert. Innerhalb dieser festen Grenzen, die auch durch gesellschaftliche Normen geprägt waren, bestand keine Notwendigkeit zu Graduierungen.

Dieses System der „Nicht-Graduierung“ hatte auch einen Einfluß auf die Entwicklung der Kampfkünste in Japan. In der Praxis sah es so aus, daß ursprünglich alle Ausübenden die gleichen Gürtel trugen. Später wurde eine erste Abstufung durchgeführt, indem alle Schüler weiße Gürtel und alle Meister schwarze Gürtel trugen, sofern in der jeweiligen Schule überhaupt Gürtel zur Rangunterscheidung getragen wurden. Hinzu kam aber in jedem Fall die traditionelle Bekleidung, der Hakama, welcher von allen Ausübenden getragen werden mußte. Als Farbe war alles zulässig außer Weiß. Ein weißer Hakama galt – und gilt im Shinto immer noch – als Zeichen höchster Reinheit und Vollkommenheit und ist somit von der allgemeinen Verwendung ausgeschlossen

Sofern überhaupt praktiziert, wurden die Meister in fünf Stufen unterteilt, die durch Urkunden belegt wurden. Die höchste Urkunde stellte das „Menkyo – Kaiden“ dar, welche dazu berechtigte, den Stil als rechtmäßiger Erbe weiterzuführen. Nur sehr wenige Meister erhielten eine solche Urkunde, zumal dazu eine lange Lehrzeit als Meister nötig war.

Graduierungen: Heute

Das heute weit verbreitete System, Graduierungen der Schüler durch farbige Gürtel zu unterscheiden, wurde erst zwischen 1915 und 1925 in Japan eingeführt. Zum einen geschah dies durch Meister Kano, dem Begründer des Judo, und durch Meister Funakoshi, dem Begründer des modernen Karate, der 1922 von Okinawa nach Japan reiste, um dort Karate zu verbreiten.

Durch das neue System wurde die Unterscheidung viel feiner.Heute üblich ist eine Unterteilung der Schüler-Grade (Mudansha) in sechs Stufen. Es gibt aber auch Systeme mit mehr Stufen, z.B. neun oder auch zwölf.
Über der Stufe der Schüler stehen die Grade, die als „DAN“ bezeichnet werden. Dabei bedeutet das Wort „DAN“ nichts weiter als „Stufe“. Der erste Dan (Shodan) wird also jemandem verliehen, der nach der Grundausbildung als Schüler die erste Stufe erklommen hat. Der Shodan ist also noch kein Meister!

Auch die Dan-Grade sind unterteilt, nämlich in zehn Stufen, wobei der 10. Dan der höchste und der 1. Dan der niedrigste Grad ist. Verbreitet ist die Methode, nur die ersten fünf Dan-Grade durch Prüfungen zu vergeben. Alle weiteren Grade werden verliehen. Allerdings gibt es auch Systeme, die auch Prüfungen bis zum 8. Dan durchführen, oder auch solche, die ganz auf Prüfungen verzichten.
Um einen 8. Dan zu erhalten sind aber schon mindestens 20 Jahre Praxis in der jeweiligen Kunst nötig. Ein 10. Dan wird in Japan so gut wie nicht mehr verliehen.

Wichtig dabei ist, daß ein Dan nicht nur aufgrund seiner technischen Fähigkeiten beurteilt wird. Dieser Aspekt rückt zwar in den moderneren Kampfsportarten in den Hintergrund, hat aber in den traditionelleren Systemen weiter Bedeutung. Die technische Ausbildung ist nach dem Erreichen des 5. Dan abgeschlossen. Ab jetzt wird mehr auf die Weiterentwicklung der Persönlichkeit des Meisters geachtet. Zwar war dies schon vor dem Erreichen des fünften Dan der Fall, tritt aber gegenüber der technischen Ausbildung jetzt in den Vordergrund.

Wie schon eingangs erläutert, sind Graduierungen nicht vergleichbar.
Es existieren weder allgemeingültige Prüfungsrichtlinien noch ein einheitliches Vergabeverfahren. In manchen Aikido-Organisationen werden Graduierungen durch formelle Prüfungen vergeben, in anderen ist hierzu eine Vorführung notwendig und mancherorts wird ganz auf eine Prüfung verzichtet (Anmerkung: Dabei birgt der gänzliche Verzicht auf Prüfungen nach meiner persönlichen Meinung sehr stark die Gefahr, daß die Transparenz der Graduierungskriterien verloren geht. So hängt mancherorts das Fortschreiten eines Schülers davon ab, wie „ergeben“ er sich seinem Lehrer gegenüber zeigt).
Ganz aus dem Rahmen fällt das Verfahren, einfach einen eigenen Verband zu gründen und sich dann selbst durch diesen Verband eine Graduierung zu geben (so geschehen z.B. ein Jahr nach der Gründung der japanischen NBKR, als plötzlich alle Gründungsmitglieder eine Stufe höher graduiert waren).